Mittwoch, 26. März 2014

Ein weiter Weg zum Ziel

Im folgenden Beispiel geht es auch wieder darum, dass Weiß erst nach Schaffung einer zweiten Schwäche zum Ziel kommt


Eljanow-Kosic (2006)

Für das „kundige“ Auge ist klar, dass Weiß besser stehen muss. Der König im Zentrum und das Läuferpaar sind zwei für ihn sprechende Stellungsmerkmale. Aber der Weg zum Sieg ist weiter als man vermuten könnte
22. Kd4 Sd7
Der Einbruch des Königs in die schwarze Stellung muss natürlich verhindert werden
23. Kc3 Sc5
Wiederum notwendig, denn sonst gelangt der König nach a5
24. Le3 Sb7
Ein trauriger Platz für den Springer, aber die Felder a5 und c5 müssen vor dem Eindringen des weißen Königs geschützt werden
25. Lb6!
Jetzt droht Kb4 und a4, was letztendlich einen Bauern gewinnen
würde. Deshalb
25. … a5 26. Kd4 f6



Mit Mühe und Not ist es dem Schwarzen gelungen der weißen Königsaktivität Herr zu werden. Aber der Preis ist hoch: Die beiden Bauern am Damenflügel sind zu einer Schwäche geworden und bedürfen der ständigen Überdeckung durch die Leichtfiguren. Wie aber soll es nun weitergehen?
27. f4
Dieser Zug soll natürlich das Zurückdrängen des Königs mittels e5 verhindern. Ist aber gleichzeitig auch die Einleitung eines Bauernsturms am Königflügels. Hier soll eine zweite Schwäche geschaffen werden
27. … Kf7 28. h4 Ke7 29. g4 Kd6
Nun droht wieder e5 mit Zurückdrängen des Königs.Deshalb
30. e5+ fxe5 31. fxe5+ Ke7
Die Überlegenheit der weißen Stellung ist offensichtlich, aber noch ist eine zweite Schwäche nicht geschaffen worden
32. Ld3! g6X



33. h5!
Dieser Zug bringt die Bauern in Verlegenheit
33. … gxh5
Auf 33. … Kf7 wäre einfach 34. h6! gefolgt und der König wäre an den Bauern g6 – wegen des drohenden Läufereinschlages - gebunden gewesen
34. gxh5 h6




Hurra! Die zweite Schwäche – der Bauer h6 – ist entstanden. Der Sieg nun greifbar nahe. 

35. Le2
Weiß will kein Gegenspiel mit Lf3 erlauben
35. …Kf7 36. Kc3!
Der Läufer soll nach e3 gebracht werden, von wo aus er die zweite Schwäche angreifen kann
36. … Kg7 37. b4!
Die erste Schwäche b5 wird festgelegt
37. … a4
Erzwungen wegen 37. ...axb4? 38. Kxb4!
38. Ld3 Kf7 39. Le3 Kg7


In diesem Diagramm wird deutlich, wie sehr Schwarz an die Verteidigung der beiden Schwächen (b5+h6) gebunden ist
40. Kd4 Le8 41. Le2 Lc6 42. Lf4 Kh7 43. Lf1 Kg7 44. Ld3 Le8 




Nun schreitet Weiß zur Tat
45. Le4! Sd8 46. Kc5 Lxh5 47. Kxb5 Le8+ 48. Kc5 h5 49. Lg5 Sf7 50. Lf6+


Hier gab Schwarz angesichts des durchmarschierenden b-Bauerns auf
1-0

 







Mittels der Zugzwang -Technik zum Sieg


Auch in diesem Beispiel geht es wieder um
a) das „Prinzip der zwei Schwächen"
und
b) die drei „Laskermomente“: Freibauer, Königsoffensive und Zugzwang
als maßgebliche Faktoren im Endspiel



Studie von Vucovic (1947)

Auf den ersten Blick scheint gar nicht klar zu sein, wer besser steht. Zwar hat Weiß einen gefährlichen Freibauern auf der a-Linie, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Zumal Schwarz ein verbundenes Freibauernpaar besitzt. Wenn die ins Rollen kämen …
1. Ka2!
Der Springer ist natürlich indirekt gedeckt durch den drohenden Vormarsch des a-Bauern: 1. ...Kxd4?? 2.a6! Und es droht nun die Springergabel auf b3.
1. … Lh6
Der einzig mögliche Zug, der nicht sofort verliert. In diesem Sinne war 
dies schon ein Zugzwang
2. Kb1!
Der König nimmt dem Läufer das Feld c1. Und erzeugt einen erneuten Zugzwang
2. … c6
2. … Lg7 oder Lf8 ging wegen der Springergabel auf e6 nicht. Und 2. … Kd6 3.a6! ging ebenso wenig
3. Kc2!
Erneuter Zugzwang
3. … Kd6 4. h5!
Nutzt den Umstand aus, dass 4. … gxh5 nicht geht wegen 5. Sxf5+!
4. … Lg7 



5. Se6!!
Mit diesem Ablenkungsopfer ist ein erneuter Zugzwang verbunden. Schwarz kann es sich nicht leisten, das Opfer abzulehnen, da ansonsten der a-Bauer durchliefe
5. … Kxe6 6. h6!
Der zweite Freibauer (Lasker) und die zweite Schwäche
6. … Ld4 7. Kd3!
Erneute Königsaktivität und Zugzwang. Der Läufer muss auf d4 stehen bleiben, da ansonsten einer der beiden Freibauern durchliefe
7. ... c5 8. a6 Ke5 9. h7 c4+ 10. Ke2 Ke4



11. a7!
Die Überlastung des Läufers ist offensichtlich! 1-0

Resümee: In beeindruckender Weise kamen alle in der Einleitung erwähnten Elemente zum Zuge. Besonders wirkungsvoll war dabei aber die Technik des Zugzwangs, die vielleicht einer gewissen Einübung bedarf, weil sie nicht unbedingt unserem normalen Denken entspricht.

 

 



Montag, 10. März 2014

Ein Mattmotiv brachte die Wende

Manchmal tauchen in Endspielen trotz reduziertem Material ganz überraschende Mattmotive auf



Schwarz spielte hier den recht seltsam anmutenden Zug
35. … Sf6
Ein Versehen? Der Weißspieler ahnte nichts Böses und spielte
36. Dxc7
um dann nach
36. … Dh3!!
vermutlich aus allen Wolken zu fallen. 37. Kxh3 Lf1 matt oder 37. Kh1 Df1+ 38. Lg1 Dxf3 matt wollte er sich dann aber nicht mehr zeigen lassen. "Seid vorsichtig, wenn die Danäer Geschenke machen" heisst es in der Ilias
0-1



Auch im folgenden Beispiel störten den Schwarzspieler gewisse materielle Nachteile nicht


41. c5
Ein Bauernopfer, was auf dem ungeschützten Sa6 basiert
Lxb5 42. cxd6?
Hier wäre das bescheidene 42. Sxb5 richtig gewesen. Nach … bxc5 (… dxc5 43. d6!) 43. Sa7 Sb8 44. Sb5 hätte es vermutlich ein Remis wegen Zugwiederholung gegeben.
... Lxf1! 43. d7
Hier mag sich der Weißspieler sich zufrieden zurückgelehnt haben. Der Bauer ist durch
Sc5! 44. d8D Sd3+ 45. Kxf1 Sg3 matt



0-1





Solchermaßen eingestimmt kommen wir zur folgenden Stellung



Die aktiven weißen Figuren und der „ausgesperrte“ Lh7 lassen eigentlich nichts Gutes für Schwarz erahnen
26. Kd3 Kf8 27. Kc4 Ke7 28. Lg3



Es droht nun sehr unangenehm 29. Kb5. Was soll Schwarz tun? Nach … b6? 29.Sc8+ ginge direkt ein Bauer verloren
e5!!
Sehr schön gesehen. Die Pointe dieses Zuges basiert auf einem
verstecktem Mattmotiv
29. Sf5
Schwarz erkennt die Falle noch rechtzeitig. Nach dem verlockenden
29. Kd5 Kd7 30. Lxe5? f6! droht der König auf offenem Brett nach 31. Lg3?? Lg8+ matt gesetzt zu werden. Analysediagramm:




Lxf5 30. exf5 Kd6


 
Spätestens ab jetzt ist die schwarze Stellung völlig in Ordnung. Möglicherweise hat er nun aufgrund der besseren Bauernstruktur sogar leichte Vorteile. Wir belassen es bei der Feststellung, dass ein verstecktes Mattmotiv Schwarz den Ausgleichszug e5 ermöglichte.




Donnerstag, 6. März 2014

Mit präziser Logik gespielt

Dies sind die drei Momente, die dem Endspiel seinen Charakter geben: Die Offensivkraft des Königs, der Freibauer, der Zugzwang (Emmanuel Lasker)


Bisguir-Fischer (1967)



Ob Bobby Fischer das obige Laskerzitat kannte ist nicht überliefert. Auf jeden Fall wandte er hier eines der drei Momente an:
42. … Le8!
Dieser eher harmlos aussehende Zug hatte es in sich. Denn Weiß befindet
sich nun überraschenderweise in einem Zugzwang. Er kann keinen Zug machen, ohne seine eigene Stellung zu verschlechtern
43. Lb1
Er wählte das kleinstmögliche „Übel“
und gab die Kontrolle über das Feld a4 auf. 43. Kf3? Kxg5 und 43. Se2?
Sd3+! hätten sofort zu Bauernverlusten geführt
43. … Sa4!
Auftakt eines fantastischen Springersolos
44. Se2 Sb2 45. Sd4 Sd1 46. Se2 Sf2 47. Ke3 Sh3



Schwarz hat einen ersten Erfolg zu verzeichnen. Der g-Bauer fällt nun
48. Sf4+ Kxg5 49. Sg2
Weiß baut nun eine neue Verteidigungslinie auf
f6 50. exf6 Kxf6 51. Sh4 e5 52. Lc2 Ld7 53. Lb1




... Sg5!
Nach einer kleinen Rast macht sich der Springer wieder auf den Weg.
54. Lc2 Sf7 55. Lb1 Sh8! 56. Lc2 Sg6




Mit präziser Logik gespielt! Weiß kann die Blockade nicht länger
aufrecht erhalten
57. Sxg6
Der Springerrückzug nach g2 hätte auch nicht den Vorstoß des h-Bauern verhindern können 57. Sg2 Kg5 58. Kf2 h4!
Kxg6 58. Kf2 Kg5 59. Kg2 h4 60. Kh2
 


Fischer am Scheideweg: Tauschen oder vorbeiziehen?
h3!
Nur so! Nach … hxg3? 61. Kg3 hätte
Weiß eine nicht mehr zu
knackende Barriere aufbauen können
61. Kg1 Kf6
Beginn einer längeren Königswanderung.
62. Kh2 Ke7 63. Kg1 Kd6 64. Kf2 Kc5 65. Kg1 Kb6 66. Kh1 Ka5 67. Kg1





Nun kommt ein zweites Lasker-moment zur Anwendung; Die Offensivkraft des Königs Vorher muss aber noch das Feld a4 zugänglich gemacht werden
Lc6 68. Kh1 Lb7 69. Kg1 Lxe4! 70. Lxe4 Ka4
Hatte Fischer auch wirklich alles präzise durchgerechnet?
71. Lf5 Kb3!
Der c-Bauer soll so schnell wie möglich beseitigt werden
72. Lxg4 e4 73. Lxh3 Kxc3 74. g4




Endlich hat Weiß auch einen Freibauern, aber die schwarzen Freibauern -der dritte Laskermoment- bringen die Entscheidung
Kd2!
Nun wird einer der beiden schwarzen Freibauern rechtzeitig das Umwandlungsfeld erreichen. Deshalb gab Bisguir hier auf

                                                            0-1