Samstag, 3. Oktober 2015

Ein (passives) Turmopfer für Mattangiff


Aronian - Caruana (2015)

Schwarz droht hier mit der Springergabel auf d4. Aber das Motiv unsichere Königsstellung wiegt hier schwerer
25. Se4!
Weiß bringt so schnell wie möglich seine Figuren in die Königsnähe
25. ... Sd4 26. Dh5!
Dies ist ein passives Turmopfer. Als Gegenleistung erhält Weiß hier Zeit (2 Tempozüge)
26. ... Sxc2 
Ablehnen des Opfers hätte auch nicht viel gebracht
27. Sxg5 Lf5





Zeit für eine kleine Zwischenbilanz. Weiß hat einen Turm weniger. Aber Duo "Dame und Springer" sind in gefährlicher Königsnähe und Turm und Läufer können ebenfalls schnell eingreifen. Die ist ein Angreiferzahl von +4. Dem stehen vielleicht 1-2  Verteidiger gegenüber. Dieses Figurenübergewicht von 2,5  ist sehr gewinnträchtig
28. Tf1 
Der Druck ist nun groß. Logisch sieht eigentlich nun 28. ... Lg6 aus. Was aber zu einem forcierten Matt führen würde. Erst mal etwas tüfteln, dann hier schauen  Matt in 8 Zügen

28. ... Df6 
28. ... Tf8 29. Txf5! mit Gewinn

29. Se6+ Txe6 30. Txf5 Dg6 31. dxe6! Dxh5 32. Txh5


Weiß hat in ein - wegen des Freibauern- gewonnenen Endspiels abgewickelt. Wie er das dann gewann kann man hier sehen:


Ergänzende Arikel:
 

Dienstag, 15. September 2015

Turmaktivität wichtiger als das Verteidigen eines gefährdeten Bauern



Hier besteht schon aufgrund der aktiven Turmstellung ein schwarzer Vorteil. Hier wäre die schnelle Turmaktivierung mittels
1. Tc1! 
die richtige Methode gewesen um in ein vermutlich remisliches Endspiel zu gelangen: Analyse 1

 In der Partie allerdings entschied Weiß sich für die Überführung des Königs ins Zentrum - vom Prinzip her nicht unbedingt falsch, in der konkreten Stellung aber schon: Partiefortsetzung

Natürlich gibt es keine Regel ohne Ausnahmen, aber im Normallfall ist eine solche Aktivierung eines Turmes auf Kosten eines Bauern oft richtig

Freitag, 4. September 2015

Sommerschach -1-: Mattangriff ohne Damen

Nach den "Dortmunder Chessmeeting" hatte ich mich recht spontan auch noch für das Dortmunder Sommerschachturnier ( drauf clicken) angemeldet. Zwar galt eine DWZ-Begrenzung von <2100, aber der Turnierleiter  Pit Schulenburg drückte da - nach Rückfrage bei den übrigen Teilnehmern - ein Auge zu und ließ mich trotz meiner 2129 mitspielen. 
    In dem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich in der Schlussrunde des vorherigen Turnieres gegen einen Dortmunder Jugendlichen mit einer DWZ von ca. 1900 verloren hatte. Also auch Partien gegen nominell schwächere Spieler kein Selbstläufer sind.
    In der ersten Runde traf ich auf den vereinslosen Matthias Langrock, der trotz seiner <300 DWZ-Punkte keineswegs bereit schien mir den Punkt auf einem Silbertablett überreichen zu wollen. Nach 23 Zügen erreichten wir folgende Stellung:


Der weiße Vorteil wegen des aktiveren Figurenspiels ist  zwar  ersichtlich, aber entschieden ist hier noch gar nichts. Eine bessere Stellung zu besitzen bedeutet nicht automatisch sie auch zu gewinnen. An dieser Stelle liegt natürlich ein Zug wie 24. Sd7 auf der Hand. Aber nach 24. ... Ted8 ist nicht klar, ob man die Stellung weiter verstärken kann oder sie verflacht. Hier nun erinnerte ich mich an den alten Grundsatz, dass man eine zweite Schwäche schaffen soll, wenn man die erste (d-Linie) nicht so recht ausnutzen kann:
24. g4! 
Der Vorstoß  beinhaltet - neben dem eigentlichen Ziel eine Öffnung der Königsposition zu erreichen - schon eine recht unangenehme Drohung, da der Springer auf f6 ja das wichtige Einbruchsfeld d7 bewacht
24. ... h6 25. h4 
Dies erneuert die Drohung. Schwarz sollte hier schleunigst Gegenspiel mit a6+b5 suchen. Stattdessen zog er aber 
25. ... g5?
Dies stoppt zwar den Vormarsch des weißen g-Bauern, öffnet aber in fataler Weise die Königsstellung und die h-Linie
26. hxg5 hxg5 27. Th1! Tcd8


Hier an dieser Stelle möchte ich kurz das Visualisieren von Mattbildern ansprechen. Dies kann sehr hilfreich sein um sein weiteres Vorgehen darauf abzustimmen. 
  In dieser Stellung ist das Erkennen eines Mattbildes allerdings nicht allzu schwer gewesen. Man nehme einfach die beiden Springer vom Brett und dann wäre 28. Th8 schon matt. Mit diesem Motiv ließ sich natürlich schön arbeiten
28. Sd7! 
Der Springer ist aus besagtem Grunde tabu oder würde nach 28. Txd7 29. Txd7 die Qualität (Turm gegen Springer) kosten 
28. ... Kg7  29. Ke2!
Räumt die 3. Reihe, so der zweite Turm auch noch auf die h-Linie kommen kann
29. ... Kg6? ( hartnäckiger ware  29.... e5 gewesen, aber auch mit klarem Vorteil Weiß ) 30. Se5+ Kg7 31. Tdh3
Der schwarze König befindet sich nun im Fadenkreuz der weißen Figuren
31. ... Lb4?
Unter starken Druck passieren oft Fehler. Das ist eine Binsenweisheit und auch entschuldbar
32. Sd3! Le7


 Nun war alles für das vormals schon erwähnte Mattmotiv angerichtet. Wer mag kann hier mal versuchen das "Matt in 4 Zügen" zu finden. Die Lösung kann man sich dann später hier anschauen:  Partie

1- 0

Dies war natürlich für mich ein gelungener Auftakt, aber keineswegs ein "Spaziergang". Und das sollte es auch in den folgenden Runden nicht werden

Donnerstag, 9. Juli 2015

Dortmunder Impressionen - Flucht ins Verderben

Jüngst fanden in Dortmund wieder einmal die alljährlichen Schachtage statt. Recht spontan entschied ich mich  am Morgen des Turnierbeginns zur Teilnahme am "A-Open". Eine an sich recht mutige Entscheidung, da ich aus gesundheitlichen Gründen schon seit Jahren kein zusammenhängendes Turnier mehr mitgespielt hatte. Ich beschloss es unter dem Motto "Spass" und "Belastungstest" zu sehen. Es also nicht zu ernst zu nehmen.
   In der ersten Runde kam ich dann gegen einen älteren Spieler aus Leipzig mit einer 1900er Wertungszahl. Obwohl ich über 200 Wertungspunkte aufzuweisen hatte, erwies er sich doch als eine recht harte Nuss



                                           Schätzhold - ich


Ich hatte den a-Bauern geopfert inder Hoffnung mittels des weit vorgerückten f-Bauern ein Mattnetz kreiren zu können
35. ... g5      
Der Plan dürfte klar sein: g4 + Th5 + Dh6 + Th1 matt 
36. Kf1?
Der verständliche Wunsch dem Mattnetz zu entfliehen. Aber die falsche Entscheidung. Das Schachprogramm  Rybka gibt hier das coole 36. Tc3! ( mit der Idee Tc4 +Ta4) mit ausgeglichener Stellung an. Und in der Tat macht der Turm auf der vierten Reihe Schwierigkeiten, da er sowohl den g4 Bauern attackieren würde als auch mit Ta8+ + Da1 wegen des vorgerückten g-Bauern bei Bau eines eigenen  Mattnetzes mithelfen könnte
 36. ... g4 37. Ke1 Th5 38. Kd2
Zwar ist Weiß nun dem Mattnetz entkommen, aber seine Situation ist weiterhin nicht rosig



38. ... Th2! 
Da auch noch Db2+ droht ist der f-Bauer nicht mehr zu retten 
39. Kc2 Txf2 + 40. Td2 Txd2 41. Kxd2 Db2+ 
Das Endspiel ist hoffnungslos und so gab Weiß hier auf 
0-1

Partie online anschauen 

Dienstag, 26. Mai 2015

Ein "Deja-vu"

Im Jahre 1914 fand in St.Petersburg eine Partie statt, die in die Schachgeschichte eingehen sollte. Der junge Capablanca rang mit dem schon etwas in die Jahre gekommenen Weltmeister Lasker um den Turniersieg:

                                     Lasker - Capablanca

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. Lxc6 dxc6 5. d4 exd4 6. Dxd4 Dxd4 7. Sxd4


Es ist eine typische Stellung aus der spanischen Abtauschvariante auf`s Brett gekommen. Weiß hat im Zentrum einen Mehrbauern, Schwarz das Läuferpaar und die halboffene e-Linie

7. … Ld6

Dies gilt als „veraltet“. Man bevorzugt heutzutage den Aufbau 7. …. Ld7+ 8. 0-0-0

8. Sc3 Se7 9. 0-0 0-0 10. f4 Te8 11. Sb3 ( droht e5 mit Figurengewinn) f6


Bislang ist noch nicht wirklich Aufregendes passiert, aber nun trifft Weiß eine strategisch weitreichende Entscheidung

12. f5

Der Sinn dieses Zuges leuchtet schnell ein. Der Lc8 soll in seiner Beweglichkeit eingeschränkt und der Lc1 zum Abtausch nach f4 gebracht werden.

Der Nachteil des Zuges ist ebenso offensichtlich. Der mobile Zentrumsbauer auf e4 wird zu einem rückständigen Bauern. Zudem geht das Feld e5 in den schwarzen Besitz über, ideal für ein Springer als Vorposten.

12. … b6 13. Lf4 Lb7?!

Dies ist eine Ungenauigkeit, die dem Weißen nun erlaubt die Initiative zu übernehmen. Richtig wäre hier 13. … Lxf4 14. Txf4 c5! (schränkt den Sb3 ein) 15 Td1 Lb7! gewesen



Es zeigt sich, dass hier Td7 nicht viel gebracht hätte. Eine Beispielvariante: 16. Td7 Tac8 17. Tf1 Sc6 18. Sd5 Se5 19. Txc7 Lxd5 20. Txc8 Txc8 21. exd5 Td8 22. Td1 Sc4


Schwarz gewinnt auf jeden Fall den Bauern zurück und bekäme die Initiative


14. Lxd6! Cxd6 15. Sd4!

Diesen Springer galt es unbedingt -wie gesehen – mit c5 abzusperren. Nun wird er sich sehr wirkungsvoll auf e6 postieren

15. … Tad8 Se6 Td7 Tad1 Se8

Das ist zu passiv. Schwarz sollte hier unbedingt nach Gegenspiel suchen. Zum Beispiel mittels 17. … c5 könnte man den rückständigen Bauern auf e4 angreifen. Nach 18. Sd5 Lxd5 19. exd5 b5!

wäre die d-Linie verschlossen und man könnte den Springer via c8-b6-c4 (d7) auf sein Traumfeld e5 überführen
18. Tf2 b5 19. Tfd2 Tde7 20. b4!


Nachdem Schwarz seine Chancen auf ein aktives Gegenspiel versäumt hatte, hatte Weiß nun einen dauerhaften Vorteil. Aber der Druck in der d-Linie und der Vorpostenspringer auf e6 reichen noch nicht ganz aus. Es musste erst noch eine weitere Schwäche am Königsflügel geschaffen werden
20. … Kf7 21. a3 La8 22. Kf2 Ta7 23. g4 h6 24. Td3 a5 25. h4 axb4 26. axb4 
Auf der Suche nach etwas Gegenspiel hatte Schwarz die a-Linie geöffnet, verlor aber mangels Möglichkeiten auch gleich wieder das Interesse an ihr

26. … Tae7 27. Kf3 Tg8 28. Kf4 g6 29. Tg3 g5+ 30. Kf3 Sb6 31. hxg5 hxg5 32. Th3


Mit der Öffnung und Besetzung der h-Linie hat Weiß sein Ziel erreicht und eine neue Schwäche geschaffen. Oder man könnte auch sagen, dass er seine Operationsbasis erweitert hat

32. … Td7 33. Kg3 Ke8 34. Tdh1 Lb7


   
Noch immer scheint die schwarze Stellung verteidigungsfähig. Aber nun holte Weiß zum entscheidenden Schlag aus. Frei nach dem Motto: Welche meiner Figuren beteiligt sich eigentlich noch nicht richtig am Angriff?

35. e5!!

Ein solches Bauernopfer sollte nicht „weh“ tun. Der Bauer war eh nicht viel wert und dafür bekam Weiß ein glänzendes Feld für seinen zweiten Springer

35. … dxe5

Die Alternative 35. … c5 funktioniert hier nicht richtig. 36. Th8! Lxh1 37. Txg8+ Ke7 (Kf7?? 38. Tf8+ Ke7 39. exf6 matt) 38. exd6 Txd6 39. Sxb5 Td7 40. Sbc7+ +-

36. Se4! Sd5

Hier steht der schwarze Springer zwar gut, aber ist ohne Unterstützung durch die anderen Figuren

37. S6c5! Lc8 38. Sxd7 Lxd7

Materiell steht es noch halbwegs ausgeglichen, aber die weißen Figuren sind einfach zu aktiv

39. Th7 Tf8 40. Ta1!

Nun kommt Weiß sogar noch die Öffnung der a-Linie zugute

40. … Kd8 41. Ta8+ Lc8 42. Sc5


Gegen die zahlreichen Drohungen war kein Kraut mehr gewachsen, deshalb gab Capablanca hier auf

                                               1-0

Eigentlich könnte man hier ja den Artikel beenden, aber es gibt eine eine erstaunliche Parallele zu der obigen Partie – knapp hundert Jahre später gespielt:


Aronian-Andrejkin (2015)



Die Stellung ähnelt in gewisser Weise dem Diagramm nach Zug 34 in der Lasker-Partie. Und genau wie dort ist auch der (Feld-)Räumungszug

30. e5!!

die Lösung! Der an sich wertlose Bauer wird geopfert um ein phantastisches Springerfeld zu bekommen. Und so ganz nebenbei wird auch noch etwas für den Lc2 getan

30. … fxe5

Erzwungen, da 30. … dxe5 31. Td8+ den Sc8 gewinnen würde
31. f6! Tgf7 32. Se4!


Das Ergebnis des Bauernopfers kann sich sehen lassen

32. …. d5

Auch 32. …Tbd7 33. Ld1! Sb6 34. Lg4 wäre klar vorteilhaft für Weiß

33. Sc5 Sd6 ( 33. … Tb4 34. Txg5! +-) 34. Txg5 Txf6 35. Sxb7 Sxb7 36. Txe5 Sd6 


Weiß hat sein geopfertes Material mit Zinsen zurückbekommen. Die „Qualität“ im Endpiel erwies sich eine solide Basis für den späteren Gewinn

Ein drittes und letztes Beispiel stammt aus den sechziger Jahren:


                                 Spasski-Petrosian (1969)



Die Überlegenheit der weißen Stellung ist offenkundig. Für seinen geopferten Bauern hat er einen supergefährlichen Königsangriff erhalten. Es „riecht“ geradezu nach einer entscheidenden Aktion

21. e5!!

Die gleiche Idee wie in den vorherigen Beispielen. Wieder soll der bislang inaktive Springer über e4 in den Angriff gebracht werden

21. … dxe5 22. Se4

droht einfach 23. Txf6 gxf6 24. Dg8 #

22. … Sh5 (22. … Sxe4?? 23. Txf8 nebst Matt im nächsten Zug) 23. Dg6! exd4


23. Sg5!!

Der ins Spiel gebrachte Springer bringt die Entscheidung. Schwarz gab Schwarz auf ohne sich 23. ... hxg5 24. Dxh5+ Kg8 25. Df7+ Kh8 26. Tf3! g4 27. Txg4 mit Matt im nächsten Zug noch zeigen zu lassen

Zusammenfassend kann man sagen, dass in allen drei Beispielen mittels eines Bauernopfers e5 im richtigen Moment das Feld e4 für einen bislang inaktiven Springer räumte.

Diese „Mehrfigur“ schuf dann ein Übergewicht, was in der Folge zu klarem Vorteil oder Gewinn führte.

Merke: Eine Aktivierung einer Figur kann manchmal wichtiger sein als das Festhalten am materiellen Gleichgewicht




Freitag, 1. Mai 2015

Ein Qulitätsopfer für bewegliche Bauern

Eine Grundregel lautet: „Wenn man etwas gibt, muss man auch etwas dafür erhalten“ (Stichwort Kompensation)


                         Spassky-Petrosjan

(1966)


Schwarz schielt mit drei Figuren in Richtung g2. Der Bauernvorstoß d4 verbunden mit einem Einschlag auf g2 liegt in der Luft. Dummerweise ist aber der Tg4 angegriffen. Was also tun? Den Turm zurückziehen um das Angriffsmotiv auf g2 aufrechtzuerhalten? Petrosjan entschied sich für einen anderen Weg

24. … Sxe5!

Ein Qualitätsopfer!

25. Sxg4 hxg4

Damit ist der Traum vom Einschlag auf g2 begraben

26. e4 Ld6!

Natürlich nicht 26. dxe4? 27. Lxe5 Dxe5 28. Dd8#

27. De3 



27. … Sd7!

Objektiv nicht das Stärkste. Das Schachprogramm Rybka gibt hier dxe4 ( mit gewinnbringendem Vorteil) und g3 (mit klarem Vorteil) an. Beide Varianten weisen aber eine gewisse taktische Komplexität auf.

Mir gefällt, dass Petrosjan hier eine stratgische und recht unkomplizierte Abwicklung wählte, die aber gerade durch ihre einfache Logik besticht

28. Lxd6 Dxd6 29. Td4 e5 30. Td2



Spätestens an dieser Stelle wird sich mancher fragen, was Schwarz denn eigentlich für die gegebene Qualität erhalten hat. Okay, zwei Bauern. Aber reicht das für einen Vorteil?

30. … f5!!

Ein Hammerzug, der offenbar macht wie schlecht die weißen Aktien eigentlich stehen

31. exd5

Halten wir einen Moment inne und beschäftigen wir uns kurz mit exf5
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31. exf5 Sf6! 

 
In dieser Variante hätte Schwarz als Kompensation für die Qualität ein bewegliches Bauernzentrum (+Mehrbauern) erhalten. Der gelegentliche Vorstoß d4 zwecks Freilegung des Lb7 in Verbindung mit h3 liegt in der Luft
Das verlockende 32. Dh6 würde mit dem brillianten … Se4!! 33. Dxd6 Sxf2+ 34. Kh2 g3# beantwortet.
Und 32. f3 Sh5! 33. fxg4 Sg3+ 34. Kh2 d4! hätte auch keinen Spaß gemacht
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31. … f4 32. De4 

 
Die schwarze Bauernphalanx am Königsflügel läßt nicht Gutes erahnen. Weit und breit kein weißes Gegenspiel und schwarz beordert seine Figuren nun in Richtung weißer König

32. ...Sf6 33. Df5+ Kb8 34. f3

Andere Züge wären auch nicht viel besser gewesen

Lc8! 35. Db1 g3!

Ein „Sargnagel“ wird installiert



Von nun an liegt h3 mit Öffnung der h-Linie in der Luft

36. Te1 h3! 37. Lf1 Th8! 38. gxh3 Lxh3 39. Kg1 Lxf1 40. Kxf1



Kann sich der weiße König in Sicherheit bringen

40. … e4!

Der entscheidende Durchbruch! 41. fxe4 f3! mit Mattdrohung 42. Th1 verbietet sich augenscheinlich

41. Dd1 Sg4!!

41. Dd7 oder 41. De5 hätten hier auch gewonnen. Aber der wunderschöne Textzug demonstriert die schwarze Übermacht am Königsflügel

42. fxg4 f3



Welch eine Dominanz! Die weißen Figuren am Brettrand müssen hilflos zuschauen wie es nun dem König an den Kragen geht

43. Tg2 fxg2
Hier gab Weiß auf.

    44. Kxg2 Df4 45. Tf1 Th2+ 46. Kg2 De3+ wollte er sich dann doch nicht mehr zeigen lassen

0-1



Fazit: In der Ausgangstellung trennte sich Schwarz von der g2-Idee und opferte stattdessen die Qualität (Turm für Springer + zwei Bauern)

    Entscheidender als die materielle Kompensation dann der Vormarsch der eigenen Bauern. Sie schufen Raumvorteil und Angriffschancen und schränkten gleichzeitig die weißen Figuren in ihrer Wirkung ein. Es kam nicht einmal der Ansatz eines Gegenspiels auf.

     Die Partie ist mit einer so kristallklaren Logik gespielt, dass man fast davon ausgehen muss, dass Petrosjan zum Zeitpunkt des Qualitätsopfers schon das Schlussbild vage vorgeschwebt haben könnte.





 








 



Donnerstag, 19. März 2015

Der übersehene Durchbruch





Ich-Er

Die hier erreichte Stellung war nach der Zeitkontrolle enstanden. Die entscheidende Frage lautete nun: Kann Weiß hier mittels 1. De6+ Kf8 2. Dc8+ Kf7 3. Dh8 den h-Bauern gewinnen und gleichzeitig dem drohenden Dauerschach entgehen?
     
Es gibt im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: a) einen Durchbruchsversuch mittels 1. b4 zu starten oder b) zu schauen, dass der e- oder g-Bauer nicht gleich mit Schach fällt. Also beispielsweise einen Wartezug wie 1.Kh2 zu spielen.

Nach etwa zehnminütigem Nachdenken war ich zu der Überzeugung gelangt, dass beide Möglichkeiten nicht funktionieren würden. Der Durchbruch nicht wegen 1. b4 Dxc4 2. bxc5 Dxc5! und das c8-Feld ist gedeckt, und 1. Kh2 Df1! bliebe die Dauerschachgefahr bestehen (1.Df3? Dxf3 sogar noch Verlustrisiken bergen würde, da der h-Bauer verlorengeht) Und so zog ich:
1. De6+
und bot Remis an. Irgendwie war ich auch froh, dass es vorbei war, denn eine fiebrige Erkältung hatte mir schon die ganze Partie über zu schaffen gemacht.

Später auf der Heimfahrt mit meinem Fahrrad kam mir plötzlich die Schlussstellung in den Sinn und die Frage eines Mannschaftskameraden: „War da kein Durchbruch möglich?“ Und wenig später traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag: 1. b4! Dxc4 2. b5!! Ja, natürlich! Der muss geschlagen werden und ich gewinne das entscheidende Tempo um den h-Bauern zu gewinnen
1. b4! Dxc4 2. b5! Dxb5 3. Dc8+ Kf7 4. Dh8 De2 5. Dxh7

 
Der Rest wäre einfach gewesen:
5 … Kf8 6. Dg7+ Ke8 7. Dg8+ Kd7 8. De6+ Kc7 9. h7


Der e- und g-Bauer sind gedeckt und der h-Bauer ist nicht mehr aufhaltbar.

Die Frage war jetzt nur noch, ob auch 1. b4 cxb4 der Überprüfung standhalten würde


2. c5! dxc5 3. De6+ Kf8 4. d6 exd6 5. Dxf6 Ke8 6. Dh8+ Kd7 7. Dxh7+



Und wieder wäre der h-Bauer gewonnen worden, ohne dass mein König ins Dauerschach geraten wäre. So hätte es dann weiterlaufen können
7. … Kc6 8. Df5 Db2 9. Dc8+ Kb5 10. h7 De5 11. h8D Dxe4+ 



12. Kh2! Df4+ 13. Kg1! Dc1+ 14. Kg2! +-
Ich gebe zu, dass mich diese ausgelassene Chance schon etwas traurig stimmt. So etwas darf eigentlich nicht passieren, wenn man richtig in die Stellung hineingeschaut hätte.
Andererseits muss ich aber auch sagen, dass man den Sieg eben auch nicht verdient hat, wenn man 1. b4 cxb4 2. b5 nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen hat.

Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Ich war nach der Zeitkontrolle am Brett sitzengeblieben anstatt mir eine kleine Pause zu gönnen. Soll man eigentlich auch nicht so machen. Lieber mal kurz aufstehen, sich ein Getränk holen und sich dann mit frischem Blick wieder ans Brett  setzen.


Donnerstag, 26. Februar 2015

Qualitätsopfer für Läuferwirkung

Die „Qualität“ ( Turm für Leichtfigur ) kann man natürlich aus verschiedenen Gründen geben. In den folgenden Beispielen geschieht es aus dem Grund dem eigenen Läufer – im Zusammenspiel mit anderen Figuren – eine größere Wirkung zu geben



Troianescu-Petrosjan
(1953)
Ich vermute, dass hier zwar das Qualitätsopfer auf e4 schon kurz in Erwägung ziehen, aber sich dann doch für das „sichere“ 25. … Tc5 entscheiden würden
Aber der spätere Weltmeister Petrosjan sah das ein wenig anders
25. …Txe4!
Auch wenn 25. ... Tc5 natürlich kein Fehler gewesen wäre, so gibt es aber überzeugende Argumente für das Qualitätsopfer
26. Lxe4 Lxe4 


Der Läufer auf e4 übt eine enorme Wirkung auf die weißen Felder im gegnerischen Lager aus und ist im Prinzip unvertreibbar, da er mit dem Mehrbauern gestützt werden kann

26. Sc2 d5 27.Sd4 b4!



Diese „Entwurzelung“ des Sd4 ist äußerst unangenehm, weil nun auch der zweite Läufer mehr Wirkung bekommt
28.cxb4 axb4 29.a4
Der Freibauer sieht an sich nicht schlecht aus, aber Schwarz bleibt am Drücker
29. ... Da7! 30.Df2 Tc8!


Hier mag sich manch fragen, warum nicht 30. ... Dxa4 gespielt wurde. Aber 31.Sxe6! fxe6 32.Txe4 hätte Weiß in Vorteil gebracht


Aber selbst ohne diesen taktischen Konter macht Tc8 Sinn. Es wird eine wichtige offene Linie besetzt
31. b3 Lf8!
Auch diese Umorientierung des Läufers  macht Sinn. Von c5 aus könnte er eine unangenehme Fesselung ausüben
32.Sb5 Da6 33.De2 Bb6+ 34.Kf1


Das weiße Figurenspiel ist alles Andere als effektiv, aber noch scheint die weiße Stellung zu halten
34.... Tc3! 35.Sxc3 bxc3
Nach diesem zweiten Qualitätsopfer – diesmal zwecks Freibauernbildung – erhält Schwarz einen entscheidenden Vorteil
36.Tc2 Dxb3 37.Tec1 Lb4!


Fast schon eine Art Zugzwang
38.g4
Schwarz wickelt nun ab
38. ... Lxc2 39.Txc2 Dxa4
Bei drei Bauern für die „Qualität“ und der weißen Königsunsicherheit ist die Partie im Prinzip entschieden
40.f5 exf5 41. gxf5 g5 42. h4!?


Weiß versucht verzweifelt noch irgendetwas gegen den schwarzen König auf die Beine zu stellen. Aber Schwarz läßt nichts mehr anbrennen
42. ... Lc5!
und schaltet seinerseits um auf Königsangriff
43.hxg5 Df4+ 44.Ke1 Dg3+ 45.Kd1 Dg1+ 46.De1 Dxe1 47.Kxe1 hxg5 48.Ke2 Ld4! 49.Ta2 Kg7 50.Kd3 Le5 51.Ta5 Kf6 52.Txd5 Kxf5


Dieses Endspiel ist hoffnungslos für Weiß. Es folgte noch:
53.Ke3 f6 54.Tc5 Kg4 55.Tc4+ Kg3 56.Ke4 g4
Die Freibauern mit Königs- und Läuferunterstützung sind zu stark

 0-1