Sonntag, 24. Juli 2016

Den entscheidenden Turmzug verpasst!

Im diesjährigen Viererpokalfinale auf NRW spielte ich an Brett 2 ( für den Düsseldorfer SK) gegen IM Wegerle aus Solingen. Im 50 Zug erreichten wir folgenden Stellung:


v.B - Wegerle

Es steht außer Frage, dass Weiß hier deutlich besser steht. Meine Figuren sind besser postiert, insbesonder der Vorpostenspringer auf c4 ist ein Prachtexemplar. Hinzu kommt noch der der Freibauer auf a5. Schwarz hatte sich eingeigelt und war mit einem Remis zufrieden. Schon zweimal war Tb7/Dc8 wiederholt worden.
    Mit der Ankündigung von 51.Tb7 hätte ich nun ein Remis wegen dreimaliger Stellungswiederholung reklamieren können, was angesichts der deutlich höheren Spielstärke meines Gegners  ( +300 DWZ) und sich einer beiderseitig drohenden Zeitnotproblematik nicht unvernünftig gewesen wäre.

Aber die Sache hatte einen Haken ... bei einem Remis wären die Solinger Pokalsieger, bei einem Sieg von mir würden wir es sein.  Und so entschloß ich mich - entgegen dem Rat unseres Präsidenten ( "nimm das Remis, ein zweiter Platz ist für uns auch ein großartiger Erfolg") - weierzuspielen.
51. Lg5! 
Natürlich, wenn hier etwas geht, dann nur so! 
51. ... Se8 !? 
Diesen Zug hatte ich überhaupt nicht in Betracht gezogen, sondern mich ausschließlich mit dem naheliegenden 51. ... Sg4  ... erschrocken erkannte ich, dass er meinen Vorposten abzutauschen gedachte
52. Tb7!? 
Hier kam 52. h5! stark in Betracht 
52. ... Sd6 
Jetzt muss ich mich schweren Herzens von meinem Vorpostenspringer trennen
53. Sxd6 Dxd6 54. h5! gxh5 55. Dxh5 c4!




Natürlich war dieser Zug keine große Überraschung, aber löste - jetzt waren wir schon beiderseitig in Zeitnot - eine gewisse Panik aus. Mein Gegner drohte sich entscheidend aus der Umklammerung zu befreien.
  Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich die Idee der Rückkehr des Turmes nach b1, um auf die h-Linie zu wechseln, ansatzweise zuvor schon gesehen, spielte hier aber nach kurzem Nachdenken reflexartig 
56. dxc4?!
und vergab hier die große Chance auf den Sieg. Man sehe:

Analyse:

56. Tb1!! Dg6 57. Dh4!


Es droht  58. Th1! und danach ist laut Engine ( Rybka 3)kein Kraut gewachsen. Als Beispielvarianten seien hier 

a)  57 . ... f6 58. Th1! Kf8! 59. Lc1! Dg8 60. Dh3!


Schwarz sitzt in der Klemme, da 60. ... De6 wegen 61. La3+! nicht funktioniert +-

b) 57. ... Dh7 58. Dg4! Dg6  58. Th1!


Die Dame droht nun gewinnbringend nach h4 zurückzukehren. Schwarz kann noch kurzfistigen Widerstand leisten mit beispielsweise 58. ... Te6, aber nach der Ablenkung 59. a6! bricht die schwarze Stellung auseinander

Fazit der Analyse: Natürlich wäre es auch nach dem richtigen 56. Tb1!! immer noch schwer geworden ... die Varianten sind teilweise recht kompliziert, aber eben auch für den Verteidiger.  Es wäre eine gute Siegchance gewesen

In der Partie ging es dann mit 
 56. ... Txc4 57. Tb2
weiter.  57. Ld2!= war die logische Alternative
57. ... Dg6 58. Dh4 d3 59. Td2?
In hochgradiger Zeitnot gespielt. Hier hätte laut Rybka 59. a6! 

  
die Partie in der Balance gehalten

59. ... Dxe4?!
Sehr pragmatisch gespielt. Aber 57. ... Tc2! wäre im Gewinnsinne wohl stärker gewesen
60. Dxe4 Txe4 61. Txd3 Lxa5 62. Td6! 


Diese Stellung dürfte objektiv gesehen im Remisbereich liegen ... aber unsere Zeitlimit war beiderseitig ausgenutzt, es gab jetzt nur sekundenmäßigen Zuschlag pro Zug. War es die Enttäuschung über die ( gefühlt) verpasste Siegchance, Müdigkeit ... jedenfalls verlor ich die Partie am Ende noch um den 90. Zug herum, nachdem ich in ein remislich aussehendes - aber theoretisch verlorenes - Turmendspiel abgewickelt hatte.

 Fazit: Natürlich kann ich meine Enttäuschung über den Verlauf der Partie nicht verhehlen. Aber auch im Nachhinein sehe ich es so, dass es richtig war der Stellungswiederholung aus dem Wege zu gehen und auf Sieg zu spielen. Das Wagnis ist zwar nicht belohnt worden, aber so etwas weiß man eben nicht vorher!

Online nachspielen: Partie